Gedanken zur Zeit I

Der Hegemon macht auf Friedensengel


In Riad fanden Mitte Februar „Verhandlungen“ zwischen den USA und Russland über einen Waffenstillstand und einen folgenden Frieden in der Ukraine statt. Es wird – Ende Februar – weiter verhandelt. Nach Ansicht der beiden Verhandlungsdelegationen sei das Klima vielversprechend, eine Einigung möglich. Parallel dazu wurde im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution gegen den Krieg in der Ukraine verabschiedet, die Russland nicht als Aggressor nennt, sondern den Weg für Verhandlungen ebnen soll. Aussen vor bleiben die Europäische Union EU, die Ukraine und – vorerst - China. Fakt 1.


Fakt ist ebenso, dass die USA seit spätestens 2014 die Ukraine gezielt destabilisiert haben, um einen so genannten „Regime Change“ herbeizuführen und den demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch zu stürzen und durch einen den Interessen der USA wohler gesinnten Menschen zu ersetzen. Die USAID hat in den Jahren vor und nach dem Putsch von 2014 – dem Maidan-Massaker – hunderte Millionen Dollar in die so genannte „Förderung der Demokratie“ in die Ukraine gepumpt. Journalisten, Verleger, Politiker waren die Nutzniesser und taten alles, um die Regierung zu destabilisieren. Auslöser dafür war der Rückzug Janukowitschs vom Vertrag mit der EU, der die Ukraine, nach dem Urteil zahlreicher unabhängiger Beobachter, in eine Kolonie Brüssels verwandelt hätte (der Vertrag kann auf Le monde diplomatique nachgelesen werden). Und darüber hinaus - und mutmasslich das Entscheidende – weigerte er sich, den Wünschen nach einer Nato-Mitgliedschaft nachzukommen. Mit der Ukraine als Nato-Staat wäre der atomare Ring um Russland geschlossen worden. Fakten 2.


Der Krieg in der Ukraine wurde durch eine gezielte Strategie der USA – und ihrem Kettenhund, der Nato – seit Jahren vorbereitet. Den Provokationen, die auf eine Stationierung von Atomraketen auf dem Gebiet der Ukraine hinausliefen, konnte und wollte Russland nach mehreren Verhandlungsversuchen nicht mehr länger ausweichen. Die Jahre zuvor bereits formulierten „roten Linien“ wurden massiv überschritten. In der historischen Logik des eigenen Selbstverständnisses und der Würde gab es aus russischer Sicht keine Alternative mehr zum Einmarsch im Donbas, wo russisch-stämmige Bewohner seit dem Putsch von 2014 systematisch unterdrückt worden waren. Die USA hatten ihr Ziel, Russland in einen Krieg zu ziehen mit dem Ziel das Land durch Zermürbung für immer „unschädlich“ zu machen, erreicht. Kein gestützter Fakt, eine begründbare Einschätzung, aber keine Rechtfertigung für einen Krieg. Nur ein Versuch, zu verstehen.


Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde zwischen Reagan und Gorbatschow vereinbart, den Warschauer Pakt aufzulösen. Russland wollte eine so genannte neutrale, oder doch zumindest atomwaffenfreie Pufferzone von der Baltik bis zum Schwarzen Meer und hielt sich nachweislich an die Abmachungen mit den USA. Was zuerst zwischen Kohl und Gorbatschow für die Wiedervereinigung Deutschlands ausgehandelt und später zwischen Reagan und Gorbatschow bestätigt wurde, nämlich der Verzicht auf die Osterweiterung der Nato im Austausch mit der Auflösung des Warschauer Paktes, wurde sprichwörtlich am anderen Tag durch die EU, als Vorposten der Nato, zu totem Buchstaben. Der Westen hat Russland – wiederum sprichwörtlich – über den Tisch gezogen. Das ist Fakt. Der Rest ist bekannt für jene, die noch des Lesens und Denkens mächtig sind und die Kapazität besitzen, sich eine unabhängige Meinung zu bilden. Das sind immer weniger.


Und nun stehen wir vor der Tatsache, dass sich der eigentliche Treiber des Krieges in der Ukraine, die USA, sich als Friedensengel kapriziert. Und legt dabei schamlos auch gleich seine eigentlichen Interessen auf den Tisch: es geht um die „seltenen Erden“ in der Ukraine, vielleicht auch noch um anderes. Wozu hätte sich sonst der drogenanfällige Sohn des dementen Vorgängers Trumps über Jahre hinweg in der Ukraine umgetrieben. Mit Sicherheit nicht, um die lokale Folklore zu studieren. Es ging und geht immer nur um die wirtschaftlichen Interessen des Hegemons aus Washington. Und das heisst: Rohstoffe. Und um die militärische, wirtschaftliche und politische Dominanz.


Historischer Einschub: Die Monroe-Doktrin wurde vom gleichnamigen 5. Präsidenten, James Monroe, 1823 als Bollwerk gegen allfällige Angriffe durch die ehemaligen Kolonialmächte auf Amerika formuliert. Sie besagte, falls eines der nunmehr unabhängigen Länder beider Amerikas angegriffen würde, die Vereinigten Staaten von Amerika stets als Schutz und Verteidiger ihren Dienst tun würden. Im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte wurde diese Doktrin den global wachsenden Interessen der USA untergeordnet. Aus dem ursprünglichen Verteidigungskonzept wurde eine brutale Angriffsstrategie (Korea, Vietnam, Iran, Irak, Afghanistan, Chile, Kuba usw.). Heute gilt sozusagen jeder Zugriff auf strategische Ressourcen durch autonome Staaten (sprich Kommerzialisierung durch die eigentlichen Besitzer) als Angriff auf die USA. Entsprechend werden jeweils aus Einschätzung des Geheimdienstes unmittelbare oder präventive Kriege gegen angebliche Beeinträchtigungen amerikanischer Interessen geführt. Das Völkerrecht gilt längst nicht mehr, hat im Grunde niemals gegolten für die USA. Ende historischer Einschub.


Dass sich nun, nach all dem, was zweifelsfrei bekannt ist, die Amerikaner als Friedensstifter in der Ukraine inszenieren, ist geradezu grotesk – aber logisch. Der Hegemon hat sich nie darum gekümmert, was mit seinen auf verbrannter Erde zurück gelassenen „Freunden“ geschieht. Die Kriege werden ja schliesslich ziemlich weit weg vom Homeland ausgetragen. Sollen sich die direkten Kriegsparteien und ihre dortigen Verbündeten um die zerstörten Menschen und Landschaften kümmern. Trotzdem: Wenn es der Trump-Administration gelingt, mit Russland einen dauerhaften Waffenstillstand auszuhandeln und den Frieden zu sichern, gebührt ihr Dank, weil das unnötige Töten endlich aufhört. Sollte es soweit kommen, muss man sich jetzt schon darauf einrichten, den Dummen August aus Washington mit Medaille und Urkunde zum Friedensnobelpreis herumstolzieren zu sehen. (Es wäre immer noch glaubwürdiger als die seinerzeitige Verleihung dieses anrüchig gewordenen Preises an den Kriegstreiber Obama.)


Und die EU? Totale Inkompetenz!

Wir haben an anderer Stelle schon ausführlich beschrieben, weshalb eine weitere Annäherung der Schweiz an die EU nicht wünschenswert sei (EU – nein danke!). An der zugrundeliegenden Einschätzung hat sich nichts geändert. Ganz im Gegenteil, alles ist noch viel schlimmer geworden.

Die hohen politischen und administrativen Sphären in Brüssel sind zu einem reinen Machtkartell geworden. Machterhalt um jeden Preis lautet die Devise. Sogar interne Kontrollorgane sprechen heutzutage von Mafia ähnlichen Verhältnissen an der EU-Spitze, wobei der mit allen Tricks der Einflussnahme bis hin zum Stimmenkauf 2024 wieder gewählten Frau v.d.Leyen das Verdienst zukommt, mittlerweile als Patin zu fungieren. Postenschacher ist der Alltag, undurchsichtige Berater bilden um die Frau mit der Helmfrisur herum einen Staat im Staat. Besonders kostspielige Abenteuer, wie die Pfizer-Verträge, werden unter Verschluss gehalten. Intransparenz als Machtprinzip.

Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass angesichts des Krieges in der Ukraine, keine eigene EU-Position erarbeitet werden konnte. Zu sehr war und ist man mit sich selbst beschäftigt. Gedanken- und kritiklos wurde vom ersten Tag an das von der Nato vorgegebene Narrativ übernommen und als eigene Position verkauft. Russland ist das Böse, das es zu beseitigen gilt, basta. Das schon als unfähige deutsche Verteidigungsministerin unter Beweis gestellte schlichte Gemüt der nunmehr als EU-Kommissionspräsidentin agierenden Erzkatholikin reichte gerade aus, um einen neuen Hosenanzug schneidern zu lassen, in geschmackvollem Blau-Gelb versteht sich.

Kein Gedanke an die unmittelbar nach dem Kriegsausbruch notwendige Forderung nach sofortigem Waffenstillstand. Tollkühn wurde sofort in den Kriegsmodus gewechselt. Waffen, Waffen, Waffen. Allen voran die Deutsche Aussenministerin, die der ehemaligen Friedenspartei der Grünen angehörige A. Baerbock, die sich sogar dazu verstieg, von einer Bombardierung Moskaus zu schwafeln. Zwei deutsche Frauen - Motto: mit Putin spricht man nicht - an der vordersten Front gegen Russland. Da bleibt kein Auge trocken. Derweil in den deutschen Waffenschmieden die Korken knallten. Rheinmetall hat gerade einen Allzeitrekord eingefahren – bei den Gewinnen.


Es gibt Leute in der Schweiz, die ernsthaft davon reden, die wohl „letzte Chance“ nutzen zu müssen, um mit der EU zu einem partnerschaftlichen Verhältnis zu kommen. Dahinter stehen ausnahmslos Wirtschaftsinteressen und deren ausführendes Organ, der Bundesrat. Dabei ist es in der Tat so, dass wir – gottseidank – an der Urne die „letzte Chance“ haben, uns endgültig aus dieser Fehlkonstruktion herauszuhalten. Eine Fehlkonstruktion, die ein Flickwerk ist aus Ungleichen, angeführt von Inkompetenten und Korrupten.


Man hat in Brüssel, vor allem aber auch in Paris und Berlin, bis heute nicht wahrhaben wollen, dass der Hegemon in Washington sein eigenes Spiel spielt. Immer. Man wollte und will nicht sehen, dass Europa lediglich ein Marktplatz sei für die Interessen der amerikanischen Wirtschaft. Dabei würde eine Analyse der Motive zum Marshall-Plan genügen, den Kern der Strategie herauszufiltern: Make America Great Again. Nicht erst seit der Dumme August in Washington seine Kapriolen macht, sondern seit eh und je.


Wenn man sich jetzt – wie zum Beispiel unlängst in Paris – von Panik getrieben, daran macht, um im voraussehbaren ukrainischen Endspiel wenigstens noch als Ersatzspieler eingesetzt zu werden, zeugt dies einmal mehr vom Versagen der europäischen Politik. Dass sich der Versager Macron zu allem Übel noch im Namen der Europäer bildhaft beinahe auf den Schoss des grinsenden Donald Musk setzt, ist schon fast eine Obszönität. Sie haben – in Brüssel, wie im übrigen auch in Bern - nichts begriffen, weil sie aus der Geschichte nichts lernen wollen. Und schauen nun staunend zu, wie dieses aus der Vielfalt, aus dem Esprit, aus der Kultur und der Aufklärung entstandene Europa, zur Beute der Einfältigen wird. Einfältige, denen die Massen durch systematische Verblödung, Verarmung, Ausschluss und Diffamierung zugetrieben wurden. Und dieses Letzte haben vor allem die Linken nicht begriffen. Hier betreibt man genügsam Empörungskultur gegen rechts, pflegt sorgsam die Pfründen der Macht und denkt nicht im Entferntesten daran, sich von Grund auf programmatisch, personell und organisatorisch neu zu erfinden. Um nach der Party der konservativen „Revolutionäre“ und deren Machtergreifung mit einer glaubwürdigen Alternative einen demokratischen Machtwechsel anbieten zu können.


Da fällt schon gar nicht mehr auf, dass der aggressivste Hegemon in der Menschheitsgeschichte, sich unangefochten als Friedensengel produziert.


Diego-Suarez, Februar 2025/SF


Donald Musk

Die Symbiose zwischen menschlicher Dummheit und gekünstelter Intelligenz


Neulich hat ein kluger Kopf aus Herrliberg festgestellt, dass nach dem Wahlsieg von Trump in den USA und darüber hinaus „zur Zeit eine konservative Revolution“ in Gang gekommen sei. Das ist nicht falsch, nur nicht ganz richtig.


Die „konservative Revolution“ ist nicht erst seit Trumps Wahl in Gang gekommen, sie läuft seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 90er Jahren, als sich der Westen unter Führung des Hegemons USA im allgemeinen Siegestaumel daran machte, dem Ultrakapitalismus hinter der verschönernden Fassade des Neoliberalismus Tür und Tor zu öffnen. Statt Partnerschaft stand Unterwerfung auf dem Programm. Das hiess damals Osterweiterung. Die gerade noch überschaubare EU mit ihrem bereits auffälligen und nicht zu bewältigenden Nord-Süd-Gefälle steuerte auf den Abgrund im Osten zu. Und dahinter folgte der Kettenhund der USA, die NATO, die den Angriff der westlichen Konsumgesellschaft auf den „rückständigen“ Osten militärisch bis heute absichert. Die neuen Märkte im früheren Osteuropa sollten dem Westen noch mehr Wohlstand bringen und vor allem noch mehr Gewinne für die multinationalen Monopolindustrien.


Die Resultate sind eine unveränderte Verarmung der meisten Menschen im Osten und eine dramatische Zunahme der Ungleichheit im Westen. Wenige Prozente der Bevölkerungen besassen und besitzen über drei Viertel der Vermögen, die Einkommensschere zwischen Managern und ihrem zur Mobilität angehaltenen Fussvolk tat und tut sich weiter auf als je zuvor. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse sind heutzutage so wie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.


Der alte weisse Mann (ohne Bezug zur dämlichen Wokeness) aus Herrliberg sieht überdies voraus, dass in Deutschland die CDU mit der AfD regieren werde und in Frankreich die Familie Le Pen. Eine Voraussage, die man auf dieser Webseite schon vor über einem Jahr (Deutschland im Winter) nachlesen konnte. Hat er abgeschrieben, der Mann aus Herrliberg? Natürlich nicht. Denn es gehört zur Logik der angeblichen konservativen Revolution, dass die Rechte in Europa wie überall im Westen die Macht übernehmen werde. Trotzdem, die Analyse des klugen, alten weissen Mannes ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Und damit Schluss mit den Referenzen zum Führer aus Herrliberg. Mehr wäre zuviel der Ehre. Ausserdem ist im Buch DER ABGANG dazu alles geschrieben.


Wie schon bei der Machtübernahme durch Trump und seinen Spiessgesellen aus Kalifornien, ist man weder in Herrliberg noch in den allermeisten Medien-Redaktionen weder willens noch in der Lage, Ursache von Wirkung zu unterscheiden. Im Gegenteil. Das Spektakel der Gegenwart reicht den Medien vollauf, um Klicks zu generieren – und den hiesigen, sprich europäischen Rechten als Vorwand für die Übernahme derselben Dummheiten. Was wiederum zu Spektakel führt – etwa durch Kahlschlag beim Staat bei gleichzeitiger Übernahme der nach den 90er Jahren noch wenigen verbliebenen potentiellen Geschäftsfelder im bisherigen Staatsbesitz. Wobei, nur nebenbei, im konkreten Fall die Auflösung der vorgeschobenen CIA-Agentur USAID durchaus positive Aspekte hat. Und natürlich bietet die so genannte Migrationsdebatte für sich allein schon genug Spektakel (siehe Deutschland und die Schweiz), um die wichtigen Themen auszusortieren, wie etwa die im Vergleich zu den Flüchtlingen um ein Mehrfaches angestiegenen Zuwanderungszahlen aufgrund der Personenfreizügigkeit, die dazu führt, dass erstens in den Zielländern unlösbare Infrastrukturprobleme entstehen und zweitens die Herkunftsländer von den letzten noch Berufsfähigen leerfegt.


Nicht überraschend, dass bei der Amtseinführung des Irren von Washington die Oligarchen der Digital-Monopole wie ein Mann im Hintergrund standen – und sich angesichts der erstklassigen Gewinnaussichten die Hände rieben. Und gerne ein paar Millionen aus ihren Portokassen für die Show hinblätterten. Noch nie wurde mit einem Bild derart deutlich, wer hier vorgeführt wird. Und wer das Sagen hat: Zuckerberg, Bezos, Pichai, Thiel (nicht auf dem Bild). Trump und Musk übernehmen in diesem Zirkus die Rollen des Dummen August und des Weissclowns. Beide bedingen einander. Der Dumme August wird vom Weissclown ständig vorgeführt, letzterer kommt jedoch immer schlecht weg, und der Dumme August hat immer die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. Das Albtraum-Duo im Weissen Haus changiert zwar ständig die Rollen, aber Hauptsache Spektakel. Unterhaltung. Ablenkung. Es ist die Symbiose zwischen menschlicher Dummheit und gekünstelter Intelligenz.


Überhaupt ist Dummheit das Schlüsselwort für die seit 30 Jahren andauernde Verwahrlosung der Gesellschaften im Osten, im fernen Osten und im Westen sowieso dem damit verbundenen Abbau von Demokratie und Menschenrechteen. Doch um zu verstehen, worum es heute geht, muss man sich die Mühe machen, die Ursachen auszuleuchten. Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Um abschätzen zu können, was auf uns alle in den nächsten Jahren, nach den Clowns, zukommen wird.


Mit der Auflösung der Sowjetunion wurde auch der letzte Zwang für die Rechtfertigung des Westens, sprich des American Way of Life, als einzige Lebensdoktrin aufgelöst. Ab den 90er Jahren war es nicht mehr nötig, sich gegenüber der „Konkurrenz“ im Osten als die „Guten“ zu rechtfertigen. Es gab historisch gesehen praktisch über Nacht nur noch ein Modell, das Sicherheit, Wohlstand und Gewinn für alle bedeutete. Die Selbstlüge der Amerikaner wurde zum Prinzip des restlichen Westens. Der Hegemon übernahm fortan ganz offiziell, ganz ohne Scham und skrupellos die globale Führung. Europa hatte seine Herkunft, seine Kultur auf dem Altar des Konsums à l‘américaine für immer geopfert. Niemand wollte darüber nachdenken, was denn die Grundlagen des angeblich so erfolgreichen American Way gewesen waren. Kein Wunder.

Denn man hätte dabei zum Schluss kommen müssen, dass eine Nation, die ihre Wirtschaft auf die Eroberung der Märkte und Menschen weltweit ausrichtet, dass eine solche Nation, die auf der entflohenen Häftlingen, aussortierten Strafgefangenen, geflüchteten Kriminellen und urchristlichen Sekten gegründet wurde, kein Fundament für eine auf gegenseitigen Respekt oder gar Solidarität basierende Gesellschaft hätte sein können. Und erst recht nicht, wenn der Genozid der Urbevölkerung und die Versklavung der importierten Afrikaner als entscheidender Treiber des wirtschaftlichen Erfolges dieser Nation hätten eingeschätzt werden müssen. Bis heute hat sich die Ignoranz gegenüber dem gewalttätigen Ursprung der Vereinigten Staaten von Amerika in Europa und im Rest der sogenannten westlichen Welt nicht geändert. Die Gründungslüge der USA wurde kritiklos in „Hort der ersten Demokratie“ umgebogen. Die Neger in den Sklavengebieten der Cotton Fields sind bis heute die Nigger geblieben. Nur dass sie diesen Status nun im ganzen Land für sich in Anspruch nehmen dürfen. Von den Indianern spricht man nicht mehr – ausser in den Hollywood-Produktionen, wo man sie bis heute als eine minderwertige Rasse darstellt. Amerika war und ist bis heute nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern der endlosen Lügen, der Bigotterie und des Selbstbetrugs. Das ist das Vorbild der EU-Europäer in Brüssel und Strassburg, das ist das Ideal der in Brüssel agierenden Mafia unter der Patin mit Helmfrisur.


Darf man bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, das die Grüne Fraktion für die Wiederwahl des Mensch gewordenen Hosenanzugs gestimmt und somit wesentlich zu deren Wiedereinsetzung beigetragen haben. Im Vergleich zu Melonis Fratelli aus Italien haben die Grünen allerdings weder inhaltliche noch finanzielle Zusagen für den Liebesdienst erhalten. Die offen faschistoide Meloni hat unmittelbar nach der Wahl einige hundert Millionen Euro eingestrichen. Dummheit ist nicht den vermeintlich Ungebildeten vorbehalten. Sie ist fester Bestandteil der Kalkulation jener, denen es nur um eines geht: Machterhalt. Um sich, ganz nebenbei, die Immunität zu sichern, welche diese Dame vor dem Zugriff der heimischen Justiz wegen Korruption abschirmt. Dasselbe Muster ist übrigens auch für die EZB-Präsidentin Christine Foulard Lagarde wirksam. Als ehemalige französische Finanzministerin für Manipulationen zugunsten des – verstorbenen – B. Tapie im Visier der Justiz, wurde sie vom ehemaligen und für die Entgegennahme illegaler Wahlspenden des ermordeten libyschen Präsidenten Kadhafi von Präsident Sarkozy 2011 in die immune Sicherheit des IWF abgeschoben (um dann auf den wiederum Immunität sichernden Sitz der EZB zu flüchten). Auf etwas kleinerer Flamme liessen sich die Rettungsaktionen mit der Beförderung des politisch Hauptverantwortlichen für die helvetische Covid-Katastrophe vergleichen. Er darf sich fortan in der immunen Rolle des Generalsekretärs eines wegen des einseitigen Stellungsbezuges gegen Russland obsolet gewordenen Europarates sonnen. Prestigeträchtig, aber bedeutungslos, so richtig nach dem Gusto eines Salon-Sozis. Aber Strassburg soll ja auch schön sein. Ein Detail.


Zurück zur Dummheit. Dietrich Bonhoeffer, geboren am 4. Februar 1906, ermordet am 9. April 1945 im Lager Flossenbürg, von den Nazis, seinen Landsleuten. Die Zeile aus seinem Gedicht-Gebet „Von guten Kräften wunderbar geborgen…“ wird oft als Trost in Todesanzeigen zitiert. Doch vielen bleibt die Tiefe seiner Gedanken angesichts des Nazi-Terrors bis heute verborgen. Für mehr Informationen: dietrich-bonhoeffer.net. Wir zitieren ihn nachfolgend ausführlich, verbunden mit der erschreckenden Gewissheit, wie aktuell diese Zeilen sind.


Von der Dummheit

„Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.

Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. (...) Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Sie ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse. Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte – also etwa intellektuelle – Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun – mehr oder weniger unbewußt – darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden. Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können.


Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen. In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, daß wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen, zu wissen, was »das Volk« eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so überflüssig ist – immer nur unter den gegebenen Umständen. (...)

Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies Tröstliche für sich, daß sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.“

Seit spätestens den 90er Jahren wird beinahe die ganze Welt einer unwiderstehlichen Gehirnwäsche unterzogen. Ich konsumiere also bin ich. Kaufe heute, zahle später. Das Haben bestimmt das Bewusstsein. Dass dabei Selbstreflexion keinen Platz mehr, unabhängige Meinungsbildung geradezu verpönt ist, liegt auf der Hand. Dreissig Jahre und eine gigantische Verschuldung auf individueller wie auf makroökonomischer Ebene später, getraut sich kaum jemand mehr auf die Folgen hinzuweisen. Am allerwenigsten die zu devoten Wachstumspredigern verkommenen Medien. Eigentlich die unabhängige Instanz, die der Vernunft dienen sollte. Eigentlich.

Heute genügt es, vor Konsumeinschränkung wegen allfälliger Klimamassnahmen zu warnen. Es genügt, die Verarmung des „Volkes“ anzumahnen, wenn Erben und Reiche endlich ihren gerechten Anteil am Gesamtwohl leisten sollten. Es genügt, den Verlust der „Freiheit“ auf das Banner zu schreiben, wenn nach weniger automobiler Mobilität gerufen wird. Die verdummte Masse läuft widerstandslos jenen hinterher, die das „Weiter so“ garantieren und von irgendwelchen „Freiheiten“ schwurbeln. Und natürlich sind dafür die einfachen Lösungen stets zur Hand, damit sich auch keiner fragen muss, ob denn diese Versprechen angesichts der offensichtlichen Katastrophen ökologischer, wirtschaftlicher, soziologischer Natur die auf uns zukommen, auch wirklich etwas taugten. Es genügt, den Schuldigen zu benennen. Die Flüchtlinge, die so genannten illegalen Migranten. Weniger davon und alles wird wieder gut. Das Muster ist bekannt. Schon zu Zeiten der grossen Pest in Europa fiel den Machthabern und der Kirche die Suche nach dem Schuldigen leicht. Es waren die Juden.

Massenhafte Verarmung, soziale Ausgrenzung und kollektive Dummheit (als Resultat gewollter Verdummung): Wer den Mechanismus kennt, der zur überall zitierten „konservativen Revolution“ geführt hat, wird auch einschätzen können, wo das Ende des Weges liegt. Das scheint freilich die Adepten des für die Entwicklung der letzten dreissig Jahre verantwortlichen Neoliberalismus nicht weiter zu beunruhigen. Warum auch? Läuft doch alles bestens! Der Druck auf die arbeitende Bevölkerung nimmt laufend zu: Produktivitätssteigerung. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wächst: Künstliche Intelligenz. Die Furcht vor dem Verlust von Haus und Auto raubt den Schlaf: Schulden- und Finanzkrise, Absturz der Börsenmärkte, Zusammenbruch der Kryptowährungen, pardon: des digitalen Schwarzgeldmarktes. Es ist und bleibt angerichtet für die eingängigen Slogans. Und für die totale Machtergreifung durch die konservativen Revolutionäre.

Das wird solange dauern, bis es auch unter Zuhilfenahme der Repression nicht mehr möglich sein wird, die Gegenwelle zu stoppen. Wenn der mehr oder weniger faschistoide Konservatismus – in den USA bereits an der Macht, in Europa spätestens in fünf bis zehn Jahren – seinen Kulminationspunkt erreicht haben wird und ausser für ein paar Oligarchen für niemanden mehr etwas geht, die Welt bei zusätzlichen 3 Grad Wärme auch sonst den Bach runtergegangen sein wird, dann werden sich die Objekte in Subjekte verwandeln. Mit welcher Richtungswahl?

Es werden genau zwei Möglichkeiten zur Auswahl stehen.

Die totalitäre Variante, die den Manipulatoren der letzten vierzig, fünfzig Jahre hüben und drüben den Freipass für ein totalitäres Endspiel erteilt. Kein Wunder, hat sich der aktuelle Präsidenten-Darsteller im Weissen Haus schon mal  erkundigt, wie sich die Armee allenfalls im Inland einsetzen lasse. Im Fall. Im Falle eines Bürgerkrieges.

Oder der Umsturz, der die Dummheit besiegt und den Weg frei machen wird für autonome Kollektive, die auf den lebbaren Überresten einer geschundenen Welt und den Resten der noch aufzufindenden Menschenwürde eine radikale humanistische Gesellschaft aufzubauen versuchen, die uns in eine „klare, lichte Zukunft“ führt (Paul Mason). Angesichts der Unfähigkeit der vom Konsumwachstum vergifteten Gesellschaften in West und Ost, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, scheint es heutzutage verwegen, auf den zweiten Pfad zu wetten.

So spielt denn auf!

Zur letzten Polonaise

Rund

Um den rauchenden Vulkan.


Diego-Suarez, Februar 2025/SF

Die Welt ist nicht genug

(James Bond 1999)


Was haben Bezos, Branson, Ermotti, Gates, Musk und Zuckerberg gemeinsam? Das: „Expansion ist alles. Ich würde Planeten annektieren, wenn ich könnte.“ (Cecil Rhodes)*


Es mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, die Über-Bosse der Neuzeit mit einem der übelsten Kolonisten seiner Zeit zu vergleichen. Aber es geht an dieser Stelle nicht um die Figuren, deren Lächerlichkeit über anderthalb Jahrhunderte hinweg eigentlich kaum zu unterscheiden ist. Nicht deren Anmassungen, Arroganz, Zynismus oder letztlich deren Scheitern (was beim Personal der Neuzeit noch bevorsteht) stehen im Vordergrund der Betrachtungen.



Nein, es geht um die Epoche, die Zeitspanne, während der diese Figuren ihren Platz in der Geschichte eingenommen haben beziehungsweise wieder einnehmen. Und es geht um die Mechanismen von Macht, Machtpolitik, Akkumulation von Kapital und Produktivität, Vermischung von so genannten „nationalen öffentlichen“ mit „kommerziellen bzw. privatwirtschaftlichen“ Interessen. Und schliesslich geht es um die Unfähigkeit der Politik, aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen, um Katastrophen zu verhindern.

Kolonialismus im 19. Jahrhundert


Im ausgehenden 19. Jahrhundert suchte das in England, Frankreich und Deutschland angehäufte Kapital nach neuen Investitionen, nach neuen Profitmöglichkeiten, die das Bisherige nicht nur in den Schatten stellen, sondern - vor allem – das System der stetig sich reproduzierenden Gewinne ins Unendliche fortführen würden. Die Industrialisierung der grössten Länder Europas war zwar ein atemberaubender Erfolg vor allem für Unternehmer und Investoren, aber es gab auch eine Schattenseite: überschüssiges Kapital, das in den gesättigten Märkten Europas nicht mehr mit ansprechenden Profiten investiert werden konnte.



Mitte der 70er Jahre übernahmen die Engländer den Sueskanal. Das nach der Eröffnung ein paar zuvor sich nur schleppend entwickelnde Geschäft des von Ferdinand Lesseps vorangetriebenen Monumentalwerkes sollte alsbald für wesentlichen Auftrieb bei der dümpelnden Finanzindustrie sorgen. Asien, Ostafrika und das südliche Afrika, Australien und Neuseeland rückten für Rohstoffe und Exporte sehr viel näher, wurden zu verheissungsvollen Regionen, in die immer mehr neues Kapital und mit ihm abertausende arbeitsloser Europäer exportiert wurden. Die Gewinnaussichten waren phantastisch, ebenso wie eine aufstrebende Schwindelindustrie, die kolossale Verluste und Bankrotte erzeugte. Der wohl spektakulärste Finanzskandal war – nur wenige Jahre nach der Inbetriebnahme des Sueskanals – jener um den Panamakanal, in dem wiederum von Lesseps rund eine Milliarde Francs verlocht und tausende von Kleinanlegern betrogen wurden, viele begingen Selbstmord. Die Kolonien Frankreichs, Englands und Deutschlands in Afrika und Asien zogen gleichermassen Geld und Hasardeure an. Der Casino-Kapitalismus erlebte sein Geburtsstunde.

Private Verluste werden verstaatlicht


Als die bis anhin privaten Geldgeber die Risiken nicht mehr – alleine – tragen wollten, kamen Staatsgarantien zum Zug. Und damit wurde das Kolonialgeschäft zur heimatlichen Staatsaufgabe, die zunehmend die europäischen Kolonial- und gleichzeitig Nationalstaaten in Bedrängnis brachten. Während Frankreich die Kolonien als Teil der Nation einzurichten versuchte, setzten die Engländer und die Deutschen auf eher dezentrale Strukturen und bauten ziemlich autonom funktionierende Kolonialverwaltungen auf. Beide Modelle sollten scheitern. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges zeigte sich, dass die Kolonien – allesamt um ein vielfaches grösser als ihre Mutterländer – nicht gehalten werden konnten, zumal sich die unverhohlen als Sklaven behandelten Kolonisierten in Aufständen zur Wehr zu setzen begannen oder sich die „Weltreiche“ in Übersee bei der Durchsetzung der privaten Interessen etwa von Ölfirmen oder anderer Rohstoffhändler in die Quere kamen. Die Kolonien drohten in ihren Mutterländern einen ungeheuren Rückstoss zu erzeugen. Deshalb lud der deutsche Reichskanzler Otto Bismarck im November 1884 zur „Kongo“-Konferenz, um die Ausbeutung Afrikas – ohne Beteiligung der Afrikaner – unter den europäischen Kolonialreichen, dem Osmanischen Reich und den USA aufzuteilen. Kriege um Rohstoffe sollten so in den Kolonien vermieden werden. Trotzdem – oder gerade deshalb – kam es 20 Jahre später zum Weltkrieg zwischen den Kolonialreichen.

Neoliberaler Kolonialismus und digitale Dominanz


Was hat das alles mit uns zu tun?


Der fulminante Aufstieg der Digitalindustrie, begleitet – und begünstigt – durch den Casino-Kapitalismus (sprich: Investment-Ganging) hat nicht dazu geführt, dass es der Mehrheit der Menschen weder in den Industrieländern noch im überwiegenden Rest der Welt besser gegangen wäre. Das stand nie auf dem Programm, war stets nur ein Vorwand. Im Gegenteil: die Disparitäten zwischen den Reichsten und den Armen haben ein Ausmass erreicht, das eigentlich nur noch mit der völligen Verelendung der Massen versus der obszönen Bereicherung der Superreichen beschrieben werden kann. Der Neoliberalismus der Chicago-Boys um Friedman und Hayek hat dazu das ideologische Fundament geliefert, ohne auch nur einen Deut an den Abhängigkeitsverhältnissen und der Ausbeutung der grossen Masse in Europa (und in den Entwicklungsländern erst recht) zu ändern. Soweit ist die europäische Gesellschaft schon im Jahr 1914 gewesen – so, wie 110 Jahre später. Das hat die beschriebene Situation mit uns, heute, zu tun.


Die so genannten Investoren finden in Europa und in den USA gesättigte Märkte und eine für den schnellen Reibach ungünstige Gewinnmarge vor. Schlechte Voraussetzungen für eine auf stetiges Wachstum und steigende Renditen ausgerichtete Wirtschaftsclique, die faktisch die Monopole der digitalen Industrie wie jene des spekulativen Finanzsektors (man bezeichnet sich selber bescheiden als Elite) unter sich aufteilt. Das Luftgeld – erzeugt durch eine kriminelle Schuldenindustrie, die kolossale Gewinne, will heissen riesige und vor allem schnelle Profite für die Paten der Boni verspricht – muss global platziert werden, um noch mehr Luftprofite zu erzeugen. Die Globalisierung hat die Profitaussichten für die Wenigen auf planetares Niveau gehoben – und die überwiegende Mehrheit, die grossen Massen in Armut belassen oder gar erst dorthin befördert. Der grosse Unterschied zur Epoche des europäisch angetriebenen Kolonialismus ist heute die Dominanz der amerikanischen Interessen. (Und zunehmend jene der chinesischen Staatsmonopolkapitalisten wie etwa Tik-Tok oder Alibaba.)



Die digitalen Technologien, wie sie von Google, Apple, Microsoft, Amazon, Netflix oder Paypal als weltumspannendes Netz aufgegleist sind, lassen kaum mehr einen Zweifel über den Machtanspruch der Milliardäre zu. Ihre Interessen würden im Bedrohungsfall, etwa durch Markteinschränkungen zum Schutz bestimmter, verletzlicher Gruppen oder eigener Industrien, im Sinne der Monroe-Doktrin als Bedrohung der USA eingestuft und entsprechend verteidigt werden. Die Nervosität, mit der sich die amerikanische Diplomatie in Szene setzte, als Tik-Tok und Alibaba ihrerseits zur Welteroberung ansetzten, spricht Bände. Und im Hintergrund steht als Rückversicherung der von der EU gefütterte Kettenhund der USA, um im Bedarfsfall durch einen herbeigelogenen UN-Beschluss losgelassen zu werden: die NATO. Private Profitinteressen sind zu Staatsinteressen mutiert. Was im übrigen kaum jemanden erstaunen dürfte, der beispielsweise über die enge Zusammenarbeit zwischen Google und der CIA informiert ist (man lese Shoshana Zuboff). Dass sich ausgerechnet die USA lauthals über die Spionagevorwürfe gegen die chinesische Tik-Tok-Firma empört, wirkt nachgerade ebenso heuchlerisch wie lächerlich.

Karl Marx hat es vorausgesehen


Ganz wie von Karl Marx vorausgehen, haben sich die Schlüsselindustrien als staatlich geschützte Monopole durchgesetzt und bestimmen die Nutzerregeln – und die ständig steigenden Preise. Die Abhängigkeiten ihrer Angestellten und Arbeiter sind indessen in die Verhältnisse zu Lebzeiten von Karl Marx zurückgefallen. Doch es wird immer enger, die dem Wachstumsdogma geschuldeten Profite für noch mehr Profite anzulegen. Die Märkt der globalen Player sind weitgehend ausgeschöpft. Nur noch der Trick der Finanzindustrie, mit dem digitalen Casino scheinbar das Perpetuum mobile für Spekulanten anzubieten, funktioniert. Bis es zum endgültigen Zusammenbruch des dafür aufgeschichteten Schuldenberges komm

Gedanken wozu?

Diese Seite befasst sich mit eher aktuellen Fragen, die nicht unmittelbar mit den längerfristig ausgerichteten Buchprojekten zusammen hängen. Romane sind Schreiben als Marathon, Gedanken und essayistische Arbeiten eher Sprints.

Der Autor erhebt dabei nicht den Anspruch fachlicher Kompetenz. Es sind eben Gedanken zu Themen, die möglicherweise auch andere beschäftigen. 

Reaktionen sind immer willkommen.

Herzlichst

Ihr Stefan Frey


PS: Das Symboltier für diese Seite ist nicht zufällig ein Chamäleon. In Madagaskar, wo es über 30 Arten davon gibt, sagt man, das Chamäleon blicke mit einem Auge in die Vergangenheit und mit dem anderen in die Zukunft.

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