Der Hegemon macht auf Friedensengel
In Riad fanden Mitte Februar „Verhandlungen“ zwischen den USA und Russland über einen Waffenstillstand und einen folgenden Frieden in der Ukraine statt. Es wird – Ende Februar – weiter verhandelt. Nach Ansicht der beiden Verhandlungsdelegationen sei das Klima vielversprechend, eine Einigung möglich. Parallel dazu wurde im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution gegen den Krieg in der Ukraine verabschiedet, die Russland nicht als Aggressor nennt, sondern den Weg für Verhandlungen ebnen soll. Aussen vor bleiben die Europäische Union EU, die Ukraine und – vorerst - China. Fakt 1.
Fakt ist ebenso, dass die USA seit spätestens 2014 die Ukraine gezielt destabilisiert haben, um einen so genannten „Regime Change“ herbeizuführen und den demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch zu stürzen und durch einen den Interessen der USA wohler gesinnten Menschen zu ersetzen. Die USAID hat in den Jahren vor und nach dem Putsch von 2014 – dem Maidan-Massaker – hunderte Millionen Dollar in die so genannte „Förderung der Demokratie“ in die Ukraine gepumpt. Journalisten, Verleger, Politiker waren die Nutzniesser und taten alles, um die Regierung zu destabilisieren. Auslöser dafür war der Rückzug Janukowitschs vom Vertrag mit der EU, der die Ukraine, nach dem Urteil zahlreicher unabhängiger Beobachter, in eine Kolonie Brüssels verwandelt hätte (der Vertrag kann auf Le monde diplomatique nachgelesen werden). Und darüber hinaus - und mutmasslich das Entscheidende – weigerte er sich, den Wünschen nach einer Nato-Mitgliedschaft nachzukommen. Mit der Ukraine als Nato-Staat wäre der atomare Ring um Russland geschlossen worden. Fakten 2.
Der Krieg in der Ukraine wurde durch eine gezielte Strategie der USA – und ihrem Kettenhund, der Nato – seit Jahren vorbereitet. Den Provokationen, die auf eine Stationierung von Atomraketen auf dem Gebiet der Ukraine hinausliefen, konnte und wollte Russland nach mehreren Verhandlungsversuchen nicht mehr länger ausweichen. Die Jahre zuvor bereits formulierten „roten Linien“ wurden massiv überschritten. In der historischen Logik des eigenen Selbstverständnisses und der Würde gab es aus russischer Sicht keine Alternative mehr zum Einmarsch im Donbas, wo russisch-stämmige Bewohner seit dem Putsch von 2014 systematisch unterdrückt worden waren. Die USA hatten ihr Ziel, Russland in einen Krieg zu ziehen mit dem Ziel das Land durch Zermürbung für immer „unschädlich“ zu machen, erreicht. Kein gestützter Fakt, eine begründbare Einschätzung, aber keine Rechtfertigung für einen Krieg. Nur ein Versuch, zu verstehen.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde zwischen Reagan und Gorbatschow vereinbart, den Warschauer Pakt aufzulösen. Russland wollte eine so genannte neutrale, oder doch zumindest atomwaffenfreie Pufferzone von der Baltik bis zum Schwarzen Meer und hielt sich nachweislich an die Abmachungen mit den USA. Was zuerst zwischen Kohl und Gorbatschow für die Wiedervereinigung Deutschlands ausgehandelt und später zwischen Reagan und Gorbatschow bestätigt wurde, nämlich der Verzicht auf die Osterweiterung der Nato im Austausch mit der Auflösung des Warschauer Paktes, wurde sprichwörtlich am anderen Tag durch die EU, als Vorposten der Nato, zu totem Buchstaben. Der Westen hat Russland – wiederum sprichwörtlich – über den Tisch gezogen. Das ist Fakt. Der Rest ist bekannt für jene, die noch des Lesens und Denkens mächtig sind und die Kapazität besitzen, sich eine unabhängige Meinung zu bilden. Das sind immer weniger.
Und nun stehen wir vor der Tatsache, dass sich der eigentliche Treiber des Krieges in der Ukraine, die USA, sich als Friedensengel kapriziert. Und legt dabei schamlos auch gleich seine eigentlichen Interessen auf den Tisch: es geht um die „seltenen Erden“ in der Ukraine, vielleicht auch noch um anderes. Wozu hätte sich sonst der drogenanfällige Sohn des dementen Vorgängers Trumps über Jahre hinweg in der Ukraine umgetrieben. Mit Sicherheit nicht, um die lokale Folklore zu studieren. Es ging und geht immer nur um die wirtschaftlichen Interessen des Hegemons aus Washington. Und das heisst: Rohstoffe. Und um die militärische, wirtschaftliche und politische Dominanz.
Historischer Einschub: Die Monroe-Doktrin wurde vom gleichnamigen 5. Präsidenten, James Monroe, 1823 als Bollwerk gegen allfällige Angriffe durch die ehemaligen Kolonialmächte auf Amerika formuliert. Sie besagte, falls eines der nunmehr unabhängigen Länder beider Amerikas angegriffen würde, die Vereinigten Staaten von Amerika stets als Schutz und Verteidiger ihren Dienst tun würden. Im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte wurde diese Doktrin den global wachsenden Interessen der USA untergeordnet. Aus dem ursprünglichen Verteidigungskonzept wurde eine brutale Angriffsstrategie (Korea, Vietnam, Iran, Irak, Afghanistan, Chile, Kuba usw.). Heute gilt sozusagen jeder Zugriff auf strategische Ressourcen durch autonome Staaten (sprich Kommerzialisierung durch die eigentlichen Besitzer) als Angriff auf die USA. Entsprechend werden jeweils aus Einschätzung des Geheimdienstes unmittelbare oder präventive Kriege gegen angebliche Beeinträchtigungen amerikanischer Interessen geführt. Das Völkerrecht gilt längst nicht mehr, hat im Grunde niemals gegolten für die USA. Ende historischer Einschub.
Dass sich nun, nach all dem, was zweifelsfrei bekannt ist, die Amerikaner als Friedensstifter in der Ukraine inszenieren, ist geradezu grotesk – aber logisch. Der Hegemon hat sich nie darum gekümmert, was mit seinen auf verbrannter Erde zurück gelassenen „Freunden“ geschieht. Die Kriege werden ja schliesslich ziemlich weit weg vom Homeland ausgetragen. Sollen sich die direkten Kriegsparteien und ihre dortigen Verbündeten um die zerstörten Menschen und Landschaften kümmern. Trotzdem: Wenn es der Trump-Administration gelingt, mit Russland einen dauerhaften Waffenstillstand auszuhandeln und den Frieden zu sichern, gebührt ihr Dank, weil das unnötige Töten endlich aufhört. Sollte es soweit kommen, muss man sich jetzt schon darauf einrichten, den Dummen August aus Washington mit Medaille und Urkunde zum Friedensnobelpreis herumstolzieren zu sehen. (Es wäre immer noch glaubwürdiger als die seinerzeitige Verleihung dieses anrüchig gewordenen Preises an den Kriegstreiber Obama.)
Und die EU? Totale Inkompetenz!
Wir haben an anderer Stelle schon ausführlich beschrieben, weshalb eine weitere Annäherung der Schweiz an die EU nicht wünschenswert sei (EU – nein danke!). An der zugrundeliegenden Einschätzung hat sich nichts geändert. Ganz im Gegenteil, alles ist noch viel schlimmer geworden.
Die hohen politischen und administrativen Sphären in Brüssel sind zu einem reinen Machtkartell geworden. Machterhalt um jeden Preis lautet die Devise. Sogar interne Kontrollorgane sprechen heutzutage von Mafia ähnlichen Verhältnissen an der EU-Spitze, wobei der mit allen Tricks der Einflussnahme bis hin zum Stimmenkauf 2024 wieder gewählten Frau v.d.Leyen das Verdienst zukommt, mittlerweile als Patin zu fungieren. Postenschacher ist der Alltag, undurchsichtige Berater bilden um die Frau mit der Helmfrisur herum einen Staat im Staat. Besonders kostspielige Abenteuer, wie die Pfizer-Verträge, werden unter Verschluss gehalten. Intransparenz als Machtprinzip.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, dass angesichts des Krieges in der Ukraine, keine eigene EU-Position erarbeitet werden konnte. Zu sehr war und ist man mit sich selbst beschäftigt. Gedanken- und kritiklos wurde vom ersten Tag an das von der Nato vorgegebene Narrativ übernommen und als eigene Position verkauft. Russland ist das Böse, das es zu beseitigen gilt, basta. Das schon als unfähige deutsche Verteidigungsministerin unter Beweis gestellte schlichte Gemüt der nunmehr als EU-Kommissionspräsidentin agierenden Erzkatholikin reichte gerade aus, um einen neuen Hosenanzug schneidern zu lassen, in geschmackvollem Blau-Gelb versteht sich.
Kein Gedanke an die unmittelbar nach dem Kriegsausbruch notwendige Forderung nach sofortigem Waffenstillstand. Tollkühn wurde sofort in den Kriegsmodus gewechselt. Waffen, Waffen, Waffen. Allen voran die Deutsche Aussenministerin, die der ehemaligen Friedenspartei der Grünen angehörige A. Baerbock, die sich sogar dazu verstieg, von einer Bombardierung Moskaus zu schwafeln. Zwei deutsche Frauen - Motto: mit Putin spricht man nicht - an der vordersten Front gegen Russland. Da bleibt kein Auge trocken. Derweil in den deutschen Waffenschmieden die Korken knallten. Rheinmetall hat gerade einen Allzeitrekord eingefahren – bei den Gewinnen.
Es gibt Leute in der Schweiz, die ernsthaft davon reden, die wohl „letzte Chance“ nutzen zu müssen, um mit der EU zu einem partnerschaftlichen Verhältnis zu kommen. Dahinter stehen ausnahmslos Wirtschaftsinteressen und deren ausführendes Organ, der Bundesrat. Dabei ist es in der Tat so, dass wir – gottseidank – an der Urne die „letzte Chance“ haben, uns endgültig aus dieser Fehlkonstruktion herauszuhalten. Eine Fehlkonstruktion, die ein Flickwerk ist aus Ungleichen, angeführt von Inkompetenten und Korrupten.
Man hat in Brüssel, vor allem aber auch in Paris und Berlin, bis heute nicht wahrhaben wollen, dass der Hegemon in Washington sein eigenes Spiel spielt. Immer. Man wollte und will nicht sehen, dass Europa lediglich ein Marktplatz sei für die Interessen der amerikanischen Wirtschaft. Dabei würde eine Analyse der Motive zum Marshall-Plan genügen, den Kern der Strategie herauszufiltern: Make America Great Again. Nicht erst seit der Dumme August in Washington seine Kapriolen macht, sondern seit eh und je.
Wenn man sich jetzt – wie zum Beispiel unlängst in Paris – von Panik getrieben, daran macht, um im voraussehbaren ukrainischen Endspiel wenigstens noch als Ersatzspieler eingesetzt zu werden, zeugt dies einmal mehr vom Versagen der europäischen Politik. Dass sich der Versager Macron zu allem Übel noch im Namen der Europäer bildhaft beinahe auf den Schoss des grinsenden Donald Musk setzt, ist schon fast eine Obszönität. Sie haben – in Brüssel, wie im übrigen auch in Bern - nichts begriffen, weil sie aus der Geschichte nichts lernen wollen. Und schauen nun staunend zu, wie dieses aus der Vielfalt, aus dem Esprit, aus der Kultur und der Aufklärung entstandene Europa, zur Beute der Einfältigen wird. Einfältige, denen die Massen durch systematische Verblödung, Verarmung, Ausschluss und Diffamierung zugetrieben wurden. Und dieses Letzte haben vor allem die Linken nicht begriffen. Hier betreibt man genügsam Empörungskultur gegen rechts, pflegt sorgsam die Pfründen der Macht und denkt nicht im Entferntesten daran, sich von Grund auf programmatisch, personell und organisatorisch neu zu erfinden. Um nach der Party der konservativen „Revolutionäre“ und deren Machtergreifung mit einer glaubwürdigen Alternative einen demokratischen Machtwechsel anbieten zu können.
Da fällt schon gar nicht mehr auf, dass der aggressivste Hegemon in der Menschheitsgeschichte, sich unangefochten als Friedensengel produziert.
Diego-Suarez, Februar 2025/SF
(James Bond 1999)
Was haben Bezos, Branson, Ermotti, Gates, Musk und Zuckerberg gemeinsam? Das: „Expansion ist alles. Ich würde Planeten annektieren, wenn ich könnte.“ (Cecil Rhodes)*
Es mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, die Über-Bosse der Neuzeit mit einem der übelsten Kolonisten seiner Zeit zu vergleichen. Aber es geht an dieser Stelle nicht um die Figuren, deren Lächerlichkeit über anderthalb Jahrhunderte hinweg eigentlich kaum zu unterscheiden ist. Nicht deren Anmassungen, Arroganz, Zynismus oder letztlich deren Scheitern (was beim Personal der Neuzeit noch bevorsteht) stehen im Vordergrund der Betrachtungen.
Nein, es geht um die Epoche, die Zeitspanne, während der diese Figuren ihren Platz in der Geschichte eingenommen haben beziehungsweise wieder einnehmen. Und es geht um die Mechanismen von Macht, Machtpolitik, Akkumulation von Kapital und Produktivität, Vermischung von so genannten „nationalen öffentlichen“ mit „kommerziellen bzw. privatwirtschaftlichen“ Interessen. Und schliesslich geht es um die Unfähigkeit der Politik, aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen, um Katastrophen zu verhindern.
Kolonialismus im 19. Jahrhundert
Im ausgehenden 19. Jahrhundert suchte das in England, Frankreich und Deutschland angehäufte Kapital nach neuen Investitionen, nach neuen Profitmöglichkeiten, die das Bisherige nicht nur in den Schatten stellen, sondern - vor allem – das System der stetig sich reproduzierenden Gewinne ins Unendliche fortführen würden. Die Industrialisierung der grössten Länder Europas war zwar ein atemberaubender Erfolg vor allem für Unternehmer und Investoren, aber es gab auch eine Schattenseite: überschüssiges Kapital, das in den gesättigten Märkten Europas nicht mehr mit ansprechenden Profiten investiert werden konnte.
Mitte der 70er Jahre übernahmen die Engländer den Sueskanal. Das nach der Eröffnung ein paar zuvor sich nur schleppend entwickelnde Geschäft des von Ferdinand Lesseps vorangetriebenen Monumentalwerkes sollte alsbald für wesentlichen Auftrieb bei der dümpelnden Finanzindustrie sorgen. Asien, Ostafrika und das südliche Afrika, Australien und Neuseeland rückten für Rohstoffe und Exporte sehr viel näher, wurden zu verheissungsvollen Regionen, in die immer mehr neues Kapital und mit ihm abertausende arbeitsloser Europäer exportiert wurden. Die Gewinnaussichten waren phantastisch, ebenso wie eine aufstrebende Schwindelindustrie, die kolossale Verluste und Bankrotte erzeugte. Der wohl spektakulärste Finanzskandal war – nur wenige Jahre nach der Inbetriebnahme des Sueskanals – jener um den Panamakanal, in dem wiederum von Lesseps rund eine Milliarde Francs verlocht und tausende von Kleinanlegern betrogen wurden, viele begingen Selbstmord. Die Kolonien Frankreichs, Englands und Deutschlands in Afrika und Asien zogen gleichermassen Geld und Hasardeure an. Der Casino-Kapitalismus erlebte sein Geburtsstunde.
Private Verluste werden verstaatlicht
Als die bis anhin privaten Geldgeber die Risiken nicht mehr – alleine – tragen wollten, kamen Staatsgarantien zum Zug. Und damit wurde das Kolonialgeschäft zur heimatlichen Staatsaufgabe, die zunehmend die europäischen Kolonial- und gleichzeitig Nationalstaaten in Bedrängnis brachten. Während Frankreich die Kolonien als Teil der Nation einzurichten versuchte, setzten die Engländer und die Deutschen auf eher dezentrale Strukturen und bauten ziemlich autonom funktionierende Kolonialverwaltungen auf. Beide Modelle sollten scheitern. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges zeigte sich, dass die Kolonien – allesamt um ein vielfaches grösser als ihre Mutterländer – nicht gehalten werden konnten, zumal sich die unverhohlen als Sklaven behandelten Kolonisierten in Aufständen zur Wehr zu setzen begannen oder sich die „Weltreiche“ in Übersee bei der Durchsetzung der privaten Interessen etwa von Ölfirmen oder anderer Rohstoffhändler in die Quere kamen. Die Kolonien drohten in ihren Mutterländern einen ungeheuren Rückstoss zu erzeugen. Deshalb lud der deutsche Reichskanzler Otto Bismarck im November 1884 zur „Kongo“-Konferenz, um die Ausbeutung Afrikas – ohne Beteiligung der Afrikaner – unter den europäischen Kolonialreichen, dem Osmanischen Reich und den USA aufzuteilen. Kriege um Rohstoffe sollten so in den Kolonien vermieden werden. Trotzdem – oder gerade deshalb – kam es 20 Jahre später zum Weltkrieg zwischen den Kolonialreichen.
Neoliberaler Kolonialismus und digitale Dominanz
Was hat das alles mit uns zu tun?
Der fulminante Aufstieg der Digitalindustrie, begleitet – und begünstigt – durch den Casino-Kapitalismus (sprich: Investment-Ganging) hat nicht dazu geführt, dass es der Mehrheit der Menschen weder in den Industrieländern noch im überwiegenden Rest der Welt besser gegangen wäre. Das stand nie auf dem Programm, war stets nur ein Vorwand. Im Gegenteil: die Disparitäten zwischen den Reichsten und den Armen haben ein Ausmass erreicht, das eigentlich nur noch mit der völligen Verelendung der Massen versus der obszönen Bereicherung der Superreichen beschrieben werden kann. Der Neoliberalismus der Chicago-Boys um Friedman und Hayek hat dazu das ideologische Fundament geliefert, ohne auch nur einen Deut an den Abhängigkeitsverhältnissen und der Ausbeutung der grossen Masse in Europa (und in den Entwicklungsländern erst recht) zu ändern. Soweit ist die europäische Gesellschaft schon im Jahr 1914 gewesen – so, wie 110 Jahre später. Das hat die beschriebene Situation mit uns, heute, zu tun.
Die so genannten Investoren finden in Europa und in den USA gesättigte Märkte und eine für den schnellen Reibach ungünstige Gewinnmarge vor. Schlechte Voraussetzungen für eine auf stetiges Wachstum und steigende Renditen ausgerichtete Wirtschaftsclique, die faktisch die Monopole der digitalen Industrie wie jene des spekulativen Finanzsektors (man bezeichnet sich selber bescheiden als Elite) unter sich aufteilt. Das Luftgeld – erzeugt durch eine kriminelle Schuldenindustrie, die kolossale Gewinne, will heissen riesige und vor allem schnelle Profite für die Paten der Boni verspricht – muss global platziert werden, um noch mehr Luftprofite zu erzeugen. Die Globalisierung hat die Profitaussichten für die Wenigen auf planetares Niveau gehoben – und die überwiegende Mehrheit, die grossen Massen in Armut belassen oder gar erst dorthin befördert. Der grosse Unterschied zur Epoche des europäisch angetriebenen Kolonialismus ist heute die Dominanz der amerikanischen Interessen. (Und zunehmend jene der chinesischen Staatsmonopolkapitalisten wie etwa Tik-Tok oder Alibaba.)
Die digitalen Technologien, wie sie von Google, Apple, Microsoft, Amazon, Netflix oder Paypal als weltumspannendes Netz aufgegleist sind, lassen kaum mehr einen Zweifel über den Machtanspruch der Milliardäre zu. Ihre Interessen würden im Bedrohungsfall, etwa durch Markteinschränkungen zum Schutz bestimmter, verletzlicher Gruppen oder eigener Industrien, im Sinne der Monroe-Doktrin als Bedrohung der USA eingestuft und entsprechend verteidigt werden. Die Nervosität, mit der sich die amerikanische Diplomatie in Szene setzte, als Tik-Tok und Alibaba ihrerseits zur Welteroberung ansetzten, spricht Bände. Und im Hintergrund steht als Rückversicherung der von der EU gefütterte Kettenhund der USA, um im Bedarfsfall durch einen herbeigelogenen UN-Beschluss losgelassen zu werden: die NATO. Private Profitinteressen sind zu Staatsinteressen mutiert. Was im übrigen kaum jemanden erstaunen dürfte, der beispielsweise über die enge Zusammenarbeit zwischen Google und der CIA informiert ist (man lese Shoshana Zuboff). Dass sich ausgerechnet die USA lauthals über die Spionagevorwürfe gegen die chinesische Tik-Tok-Firma empört, wirkt nachgerade ebenso heuchlerisch wie lächerlich.
Karl Marx hat es vorausgesehen
Ganz wie von Karl Marx vorausgehen, haben sich die Schlüsselindustrien als staatlich geschützte Monopole durchgesetzt und bestimmen die Nutzerregeln – und die ständig steigenden Preise. Die Abhängigkeiten ihrer Angestellten und Arbeiter sind indessen in die Verhältnisse zu Lebzeiten von Karl Marx zurückgefallen. Doch es wird immer enger, die dem Wachstumsdogma geschuldeten Profite für noch mehr Profite anzulegen. Die Märkt der globalen Player sind weitgehend ausgeschöpft. Nur noch der Trick der Finanzindustrie, mit dem digitalen Casino scheinbar das Perpetuum mobile für Spekulanten anzubieten, funktioniert. Bis es zum endgültigen Zusammenbruch des dafür aufgeschichteten Schuldenberges komm
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